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Ausbildungsziel erreicht – Zertifikate ausgehändigt

Kann man Zertifikate eigentlich auch online überreichen? Auf diese, etwas merkwürdig anmutende Frage stößt, wer wegen der Corona-Pandemie – schon etwas verzweifelt – nach Alternativen zu einer an sich bewährten Praxis sucht, nämlich Abschlusszeugnisse feierlich und natürlich in Präsenz zu übergeben. Selbst wenn dies per Videoschalte, also virtuell, denk- und machbar sein sollte – wäre es dann überhaupt ein angemessener, ein würdiger Rahmen für den Abschluss einer berufsbegleitenden Ausbildung, einer Ausbildung, die rund ein Jahr gedauert und den Beteiligten so einiges abverlangt hat?

Eher nicht. Darin waren sich die beiden Kooperationspartner, der Senator für Finanzen und der Projektträger von „ikö-diversity“, die wisoak, nach reiflicher Überlegung dann doch schnell einig: Die Zertifikate für die Teilnehmenden von Ausbildungsgang 4 und 5 zu Diversity Management sollten trotz pandemischer Herausforderung face to face, analog, live ausgehändigt werden, und zwar jeder einzelnen Person, in gebührendem Abstand und mit Schutzmaske natürlich, aber gewissermaßen haptisch erfahrbar und vollzogen durch den zuständigen Staatsrat, Dr. Martin Hagen. Auch nicht irgendwo, in einem gewöhnlichen Seminarraum etwa, sondern an einem besonderen Ort. Den fanden wir unter den gegebenen Umständen, kurz vor Weihnachten, noch im Haus des Reichs, dem Sitz des Bremer Finanzsenators am Rudolf-Hilferding-Platz.

Von 29 zu Multiplikator:innen in Sachen Diversity ausgebildeten Verwaltungsmitarbeiter:innen fanden sich am 14. Dezember 2021 elf Absolvent:innen ein, um die wohl verdienten Urkunden persönlich in Empfang zu nehmen; die übrigen mussten wegen Krankheit oder Unabkömmlichkeit leider passen. Die Übergabe der Zertifikate erfolgte in einem fast übergroßen Vortragsraum, unter strengen Hygienevorschriften. Für pointierte, launige Ansprachen sorgten Dr. Martin Hagen und Projektleiter Dr. Asmus Nitschke. Als kleine Überraschung gabs dann für jede:n noch einen USB-Stick. Sein Inhalt: ein satirische Videobeitrag, der mit einem Augenzwinkern zeigt, wie Diversity im Betrieb auf jeden Fall nicht umgesetzt werden sollte. Das ebenfalls nicht vollzählig anwesende Ausbildungsteam: Gülcan Yoksulabakan-Üstüay (AFZ), Tina Echterdiek (Zentralbibliothek), Martin Schmidt (wisoak), Ikram Errahmouni-Rimi (Polizei Bremen) und Fuat Kamçılı (Senatorin für Soziales, Jugend, Integration und Sport) erhielt vom Projektleiter herzliche, anerkennende Worte und ein schokoladenes Dankeschön für überaus engagiert getane Arbeit sowie von den Absolvent:innen Szenenapplaus und wunderschöne Blumensträuße. Abschließend wurde ein Gruppenfoto mit Staatsrat gefertigt, vor dem Gebäude, also im Freien, ohne Maske.

Worum ging und geht es bei der Qualifizierungsreihe? Eine moderne öffentliche Verwaltung sollte möglichst, das ist mittlerweile unstrittig, die Diversität unserer Gesellschaft abbilden. Und sie sollte den sich wandelnden Anliegen, Bedürfnissen und Ansprüchen heutiger Kund:innen und Bürger:innen gerecht werden. Dazu braucht es mehr Wissen über ebendiese gesellschaftlichen Veränderungen. Und über Diversität. Und es bedarf eingehender und kritischer Reflexion von Privilegien einerseits und Benachteiligungen andererseits, also verschiedener Formen von Diskriminierung und überkommener rassistischer Denk- und Verhaltensmuster. Zeitgemäßes Verwaltungshandeln bedeutet eine Abkehr von obrigkeitsstaatlichen Traditionen. Das Projekt „ikö-diversity“ unterstützt mit seinen Qualifizierungen daher auch Aktivitäten und Ansätze, die darauf zielen, nach und nach alte Zöpfe – wie zum Beispiel verklausuliert formuliertes, unverständliches oder gar diskriminierendes Amtsdeutsch – abzuschneiden. Und stattdessen “bürgernahe“ Kommunikationskompetenzen auszubilden und einzuüben – besonders mit Blick auf die vielen unterschiedlichen Lebenswelten von Menschen, die heute (und morgen) auf dem Amt aufschlagen, um ihren staatsbürgerlichen Pflichten nachzukommen oder Dienstleistungen der öffentlichen Hand in Anspruch zu nehmen: den vielen in Armut lebenden Bremer:innen etwa, Menschen mit Beeinträchtigungen, älteren und alten Menschen, aber auch Angehörigen der nachfolgenden Generationen, Lebenswelten von Migrant:innen und Geflüchteten, von Menschen mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten oder mit verschiedenen religiösen Grundüberzeugungen. In einem Ausbildungsabschlussgespräch, dem sogenannten Kolloquium, hatte es ein Absolvent der Qualifizierungsreihe mal so auf den Punkt gebracht; sein persönliches Resümee steht stellvertretend für eine Reihe ähnlicher Bekenntnisse:

„Ich gehe jetzt offener durchs Leben, sehe die Welt auch mit anderen Augen, bin sensibler geworden für Hindernisse, Hürden und Zumutungen, mit denen vielen Bürger:innen tagtäglich zu tun haben.“

Das Multiplizieren von Ausbildungsimpulsen kann und wird nun auf sehr unterschiedliche Weise geschehen. Es kann und dürfte sich niederschlagen in der mündlichen wie schriftlichen Alltagskommunikation, im diversitäts- und diskriminierungssensibleren Umgang mit Bürger:innen, aber auch Kolleg:innen. Es wird münden, das lehrt die Erfahrung der vorausgegangenen Ausbildungsgänge, in handfeste Maßnahmen behördlicher Personal- und Organisationsentwicklung, in Initiativen für Schulungen, Workshops, Tagungen oder Vorträge. Die Vorhaben und Projekte der Absolvent:innen spiegeln insgesamt die sehr unterschiedlichen Handlungszusammenhänge in der öffentlichen Verwaltung. Ihre Realisierungschancen sind ohne Frage immer auch abhängig von den jeweiligen Handlungsspielräumen und der Unterstützung, die Multiplikator:innen in der Praxis durch Vorgesetze und Behördenleitungen erfahren. Sie werden künftig bei der Umsetzung und zwecks weiterer Vernetzung durch das AFZ und den Senator für Finanzen, Referat 33, begleitet.

Im nahenden Februar beginnt bereits der nächste, vorerst wohl letzte Ausbildungsgang. Denn die Förderung durch das bundesweite Projekt IQ (Integration durch Qualifizierung) ist befristet bis Ende des Jahres. Im Winter 2022 werden dann die nächsten Multiplikator:innen, insgesamt 19 an der Zahl, ihre Ausbildung abschließen – und ihre Zertifikate in Empfang nehmen wollen. Das dann hoffentlich wieder in Präsenz, ohne Wenn und Aber.

Asmus


Beitrag von: Dr. Asmus Nitschke