nachgefragt bei Daniela Wilhelm – "Room of Error"
Im Rahmen von Projekt RessourcE findet nächste Woche an der wisoak erstmalig ein „Room of Error“ statt. Dabei handelt es sich um ein innovatives Lehr-Lernkonzept aus dem Bereich Pflege, das auch unter dem Namen „Room of Horrors“ bekannt ist.
Unsere Kollegin Daniela Wilhelm von Pflegepioniere hat uns in einem Interview mehr über dieses spannende Format erzählt.
So haben wir erfahren, welche Zielgruppen man damit ansprechen kann, welche weiteren Pläne es diesbezüglich in Projekt RessourcE gibt, und dass die Umbenennung in „Room of Error“ auf Jessica Pritzkow (Pflegedirektion Klinikum Oldenburg) zurückgeht. Das klingt doch gleich viel besser und wir sind schon super gespannt auf die Durchführung am 17. April 2024.
Diese werden wir natürlich begleiten und weitere Einblicke hier veröffentlichen. Stay tuned.
Und hier das komplette Interview in Textform:
Wir sitzen hier heute zusammen mit der Daniela Wilhelm von den Pflegepionieren aus Oldenburg. Wer sind wir? Das ist einmal die Hannah Thiele und ich Franziska Kersten von der wisoak. Wir arbeiten alle zusammen im Projekt Ressource und da habt ihr Daniela, was ganz Spannendes geplant, den Room of Error. Und darüber erzählst du uns hoffentlich gleich mehr. Das wäre auch schon unsere erste Frage, was ist denn ein Room of Error?
Der Room of Error ist im Grunde ein interaktives Lernangebot, von dem wir schon ganz viel gehört und ganz viel erfahren haben, es aber selber jetzt tatsächlich auch zum ersten Mal in Anwendung bringen und zum ersten Mal im Rahmen vom Projekt Ressource ausprobieren, wie du ja gerade auch schon beschrieben hast. Der Room of Error ist eher bekannt als Room of Horror. Ich weiß nicht, ob ihr das schon mal gehört habt. Wir haben uns da der Bezeichnung von Jessica Pritzko angeschlossen. Wir kennen Jessica schon viele Jahre, sie ist in der Pflegedirektion im Klinikum Oldenburg tätig, sie hat sich ganz früh als Praxisanleiterin mit diesem Lernkonzept auseinandergesetzt und auch als erste darüber publiziert. Sie war und ist der Ansicht, dass eine Fehlersuche in einer interaktiven Pflegesituation kein Horror sein sollte, sondern eher eben ein Raum der Fehler. Fehler, die man dort ja letztendlich auch versteckt und die Fehlersuche. Wenn man gewisse Fehler nicht findet, sollte das eher ein Weckruf sein als ein Horrorszenario für die Teilnehmenden. Ein Weckruf in Form von: Warum ist mir das nicht aufgefallen? Bin ich noch nicht sensibilisiert genug, um darauf zu achten? Fehlt mir da vielleicht auch noch ganz gezielt ein bisschen Wissen? Bin ich da vielleicht auch ein Stück weit betriebsblind geworden in meiner Tätigkeit? Es können letztendlich verschiedenste curriculare Themen eingearbeitet werden, beispielsweise Arbeitsschutz, Datenschutz, Hygiene und Pflegethemen natürlich sowieso. Und dann geht man in die dargestellte Situation. Wir werden in unseren jetzt kommenden Durchläufen zwei beispielhafte Situationen darstellen. Die teilnehmenden Gruppen gehen auf Fehlersuche und schauen ganz bewusst in die dargestellte Pflegesituation hinein und notieren sich die Fehler, die ihnen auffallen. So in einem Rahmen von 10 bis 15 Minuten.
Alles klar, das kann man sich ja schon ganz gut vorstellen. Dann ist natürlich noch die Frage, an welchem Ort und wann wird der Room of Error stattfinden?
Also den, den wir jetzt planen, der wird tatsächlich schon nächste Woche stattfinden, einmal am 16. und am 17. April. Da es Projekt intern ist, wird er bei den Praxispartner:innen aus der Pflege, die wir im Projekt haben, durchgeführt. Das ist einmal vacances aus Bremen und der Pflegedienst Lilienthal mit Standorten in Bremen und Niedersachsen hat. In Lilienthal wird es direkt stattfinden, nächste Woche Dienstag am 16., da die eben auch eine stationäre Einrichtung haben, können wir die Räumlichkeiten dort direkt nutzen. Vacances ist rein ambulant oder mit Tagespflegen aufgestellt. Da fehlten so ein bisschen die Räumlichkeiten für den Room of Error. Da haben wir dann projektintern geschaut und sind eben auf eure Räumlichkeiten der Pflegeschule gekommen. Wir haben eine Anfrage bei Gesa und Rebecca gestartet und da waren die Türen bei euch dankbarerweise total offen. Somit sind wir am 17. April dann mit den Pflegehilfskräften von vacances bei euch im Haus, in der wisoak.
Ach schön, also in der guten alten Bertha-von-Suttner-Straße. Ist es denn so, dass man sich dafür noch anmelden kann? Oder wie würde das laufen, wenn man da teilnehmen will?
Ja, genau. Also der Room of Error selber ist erst mal im Grunde für jeden gedacht. Jetzt, da wir dieses Mal das ganze Projekt intern abbilden natürlich nur für die Pflegehelfer:innen, die auch von den Praxispartner:innen angemeldet wurden für das Projekt. Also das ist tatsächlich eine geschlossene Gruppe. Aber nichtsdestotrotz lässt das ganze Konzept supereinfach und mit wenigen Mitteln übertragen, entweder in die eigene Pflegeeinrichtung oder auch in die Pflegeschule, so wie bei euch jetzt auch. Ihr seid so gut ausgestattet dafür, man hat keine hohen Hürden, um dieses Lernkonzept zu etablieren und regelmäßig durchzuführen. Dann kann man das Ganze sicherlich auch offen und mit variablen Zielgruppen gestalten. In unserem Durchlauf jetzt machen wir das ja nur für Pflegehilfskräfte und Pflegehelfer:innen. Zukünftig könnte man es aber für die Fachkräfte, für die Führungskräfte oder auch interdisziplinär gestalten. Im Rahmen unserer Bedarfserhebung im Projekt Ressource haben wir zunächst Interviews durchgeführt mit den Pflegehilfskräften und den Führungskräften. Als wir den Pflegedienstleitungen davon berichtet haben, haben wir nur positive Rückmeldung mit dem Wunsch, das auch mal machen zu dürfen bekommen. Und so wie ich das jetzt mitbekommen habe, scheint es da auch einen Tag zu geben, der bei euch geplant wird, in der wisoak mit den Führungskräften.
Ah super. Also ihr macht das auch für verschiedene Zielgruppen?
Ja, genau. Ich kann auch vielleicht noch mal ganz kurz aus Oldenburg berichten. Da wird es wirklich supererfolgreich, mittlerweile auch interdisziplinär angewendet. Das ist natürlich eine Klinik, aber die haben da wirklich eine ganze Straße des Errors, also eine Street of Error errichtet. Da geht es wirklich draußen los mit einer Notfallsituation auf einer Bank sitzend, dann kommt der Rettungswagen angefahren. Die Feuerwehr beteiligt sich also auch an dem Konzept. Dann geht es in die Notaufnahme, dann sind dort Ärzt:innen und die Pflegekräfte aus der Notaufnahme und dann geht es später weiter auf Station. Das weckt natürlich auch ein großes Verständnis für die unterschiedlichen Berufsgruppen untereinander, wenn da dann auch so miteinander agiert. Das passiert dort einmal im Jahr und ist ganz, ganz erfolgreich. Also nicht nur berufsgruppenspezifisch, sondern wirklich auch interdisziplinär lässt sich das ganze Konzept gut ausbauen.
Okay, ist das dann ein ganzer Tag, wenn die das in Oldenburg durchführen?
Ja, also dort im Krankenhaus, ist das wirklich ein ganzer Tag. Und ich glaube, wenn ich das richtig weiß, sind es zwei Durchläufe, weil die Gruppen nicht zu groß sein dürfen. Wir starten bei uns jetzt mit kleinen Gruppen von drei bis vier Teilnehmer:innen. Damit die auch wirklich gezielt für sich in Ruhe schauen können. Wenn man zu viele Teilnehmer:innen hat, dann wird es zu unruhig. In dem interdisziplinären Konzept aus Oldenburg weiß ich, da sind die Gruppen schon größer. Das sind so zehn bis zwölf Teilnehmer:innen durchaus mal. Aber nichtsdestotrotz kann man nicht alle einbinden. Das heißt, man hat in aller Regel mehrere Durchläufe. So machen wir das in der kommenden Woche auch. Wir werden auch den ganzen Tag den Room of Error durchführen. Wir starten um 9 Uhr und wechseln im zwei Stundentakt die Gruppen. Innerhalb dieser zwei Stunden durchläuft die Gruppe zwei verschiedene Fallsituationen, eine Fallsituation dauert also eine Stunde. Man hat so 10 bis 15 Minuten, um die Fehler zu suchen, dann gehen sie ungefähr 10 Minuten in die Besprechung miteinander und präsentieren danach die entdeckten Fehler. Danach geht man noch mal so 30 bis 35 Minuten ins Learning, was sich dann direkt anschließt. Mit dem Hintergrund die Wahrnehmung des Einzelnen und die Achtsamkeit im Berufsalltag zu schärfen, das ist so das große Ziel dahinter. Immer mit dem Gedanken der Patient:innensicherheit, die zu optimieren und einen Qualitätszuwachs zu erzielen für die einzelne Einrichtung.
Jetzt hast du zwei Punkte schon so ein bisschen angerissen, die uns auch noch brennend interessieren. Du hast gesagt, ihr plant auf jeden Fall noch mal einen Tag, wo ihr das auch für Führungskräfte durchführt, aber generell gibt es auch den Plan, das häufiger oder regelmäßiger durchzuführen oder vielleicht auch andere zu informieren?
Ja, also da sind wir jetzt tatsächlich schon in der Überlegung. Wir haben gesagt, wir warten jetzt diese beiden Probedurchläufe ab, ob das wirklich so viel Spaß bringt, wie wir uns erhoffen und ob das auch so klappt, wie wir uns das vorstellen, wir gehen da ganz fest von aus. Es gab tatsächlich auch jetzt schon, nachdem wir so in die Kommunikation dazu gegangen sind, von mehreren Kund:innen die Anfrage, dass auch bei ihnen durchzuführen.
Ja, das klingt ja auf jeden Fall nach einer guten Maßnahme. Ich habe auch noch die Frage, was ihr euch von der Veranstaltung erhofft. Und du hattest gerade schon gesagt, Freude und Spaß, aber wahrscheinlich auch noch ein paar andere Dinge. Also erzähl doch gerne mal.
Ja, definitiv. Wir haben wie ja schon erwähnt im Projekt Interviews geführt, über 50 Stück und haben abgefragt, ob es Aufgaben gibt, bei denen die Befragten Bauchschmerzen haben. Im Projekt Ressource geht es um die Einfacharbeitenden, die zum Teil komplett als Quereinsteiger:in in die Pflege kommen oder bis zu einem Jahr qualifiziert sind. Wir haben schon festgestellt, dass es zum Beispiel gerade im Rahmen der Behandlungspflege der medizinischen Pflege sehr große Unterschiede zwischen Niedersachsen und Bremen gibt. In Bremen ist das so, da dürfen auch ungelernte Pflegehilfskräfte nach einer materiellen Qualifikation durch die Pflegedienstleitung sehr viel mehr Tätigkeiten ausführen, als die Pflegehilfskräfte in Niedersachsen es dürfen, da ist sehr streng reglementiert. Uns hat natürlich dann sehr interessiert, wie geht es den Betroffenen damit? Und jetzt geht es natürlich neben dem Spaß neben dem, dass man die Wachsamkeit und die Aufmerksamkeit einfach mit dem Projekt schärfen möchte oder mit dem Tag. Geht es natürlich jetzt auch darum, darum ein bisschen in die Praxis zu schauen, wird da umfassend geschaut, wird der Patient:in ganzheitlich in den Blick genommen? Gibt es da vielleicht Lücken auch zwischen dem Onboarding, so wie es stattgefunden hat und der späteren Einarbeitung oder auch schon in der Qualifizierung. Sodass dann auch der Praxispartner:in ganz gezielt gegebenenfalls mit Schulungen noch mal nachsteuern kann und auch bereit ist, das zu tun. Das ist das Große und Ganze, was wir uns auch weiterhin erhoffen im Projektverlauf. Das wir weggehen von dem ich zeige dir nur, wie es geht, hin zu einem nehm sensibel selber wahr, was gut funktioniert und wo vielleicht noch eine Lücke ist.
Ja, das klingt nach einem modernen Lehr-Lern-Konzept wo man tatsächlich auch mehr aufs Individuum eingeht. Das finde ich sehr schön. Abschließend würden wir auch noch gerne wissen, das hattest du auch schon ein bisschen angerissen, wer genau den Room of Error ausrichtet und wer hat überhaupt diese Idee jetzt mit ins Projekt eingebracht? Vielleicht magst du da noch mal kurz ein bisschen was darüber erzählen.
Ja klar. Also wir tatsächlich, wir Pflegepioniere. Dadurch, dass wir das immer durch Jessica schon mitbekommen haben, haben wir viel darüber gesprochen. Als dann durch den Projektplan klar wurde, wenn es um die Bedarfserhebung geht zu schauen, welche Qualifikationen sind da, welche werden gebraucht, was wird gewünscht. Da haben wir gesagt, wir wollen nicht nur die Theorie, wir möchten auch einen Blick in die Praxis werfen und auch das soll ein fester Bestandteil der Bedarfserhebung sein. Und so war dann klar, dass wir gerne den Room of Error initiieren möchten und eben auch mit einfließen lassen möchten in das Projekt Ressource.
Okay. Ja, super. Da kann man ja nur sagen, coole Sache, die ihr da eingebracht habt. Und schön, dass das jetzt auch von den anderen so gut angenommen wurde und mit umgesetzt wird. Und ich habe noch eine kleine Bonusfrage. Mir hat ein Vögelchen namens Rebecca geflüstert, dass in die Gestaltung des Room of Errors auch gewisse Diversity-Aspekte oder Aspekte der einfachen Sprache mit einfließen sollen und ich weiß, dass da auch zwei Kolleg:innen aus der wisoak ganz intensiv mit dran arbeiten. Ich kann mir das noch nicht genau vorstellen, inwiefern das mit einfließt. Vielleicht kannst du da auch noch kurz was zu berichten
Ja, das würde ich super gerne. Aber Martin, der mein Patient sein wird an dem Tag, ist leider im Urlaub und wir konnten uns noch gar nicht wirklich abstimmen. Was er mir aber gesagt hat, ist, dass es superwichtig ist und wir uns am Ende dieser Woche abstimmen. Ich habe jetzt erst mal nur Dinge mit aufgenommen, die von meiner Seite als Pflegekraft mit einfließen und halt auch vollkommen daneben sind. Ich wahre keine Nähe und Distanz, ich duze, also ich gehe da so vor, wie ich es nie machen würde. Also ich bin eine Pflegekraft, die ich sonst nicht bin, aber ich habe mich gescheut, selber in Richtung Diversity etc. jetzt was festzulegen ohne Martin. Er hat mich schon sehr sensibilisiert hinsichtlich dem, dass man damit natürlich auch Dinge triggern kann, die vielleicht wirklich passiert sind. Wir haben zwar schon ein paar Dinge durch die Interviews mitbekommen, ich denke, das war aber nur die Spitze des Eisberges. Wir wissen nicht, was den Betroffenen passiert ist und möchten da natürlich auch nichts lostreten. Daher war die Message von Martin ganz klar, vorsichtig daran zu gehen und lieber weniger als zu viel zu machen. Deswegen habe ich mich da jetzt auch noch zurückgehalten. Aber in der Fallsituation wird auf jeden Fall noch etwas dazu eingearbeitet. Nur dafür brauche ich seine Expertise.
Ja, absolut nachvollziehbar. Das heißt auch, dass wir natürlich noch mal besonders gespannt sein können auf nächste Woche, wie es dann tatsächlich ablaufen wird. Das finde ich ist auch ein schöner Abschluss für unser Gespräch. Das klingt alles sehr positiv. Ich glaube, wir können uns alle auf diesen Tag oder diese zwei Tage nächste Woche freuen. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, uns ein bisschen mehr darüber zu erzählen, über den Room of Error.
Ganz gerne. Vielen Dank für eure Zeit und für euer Interesse.