Perspektiven bieten! Hilfskräfte im Fokus
Bei unserer Abendveranstaltung am 18. April 2024 “Persepktiven bieten! Hilfskräfte im Fokus” sollten diejenigen im Mittelpunkt stehen, die einen unverzichtbaren Beitrag in der Pflege und für unsere Gesellschaft leisten, jedoch oft nicht die Anerkennung erhalten, die sie verdienen: Hilfskräfte und Basisarbeitende in der Pflege.
Zum Hintergrund: Unser Pflegesystem wandelt sich kontinuierlich und leidet am Fachkräftemangel: 3-jährig ausgebildete Fachkräfte sind rar. Sie können im Grunde genommen nur noch Behandlungspflege und die sogenannten vorbehaltenen Pflegetätigkeiten ausüben. Und sich immer weniger um die Grundpflege, Betreuung oder Essenszubereitung kümmern. Doch wer sind die Menschen, die genau das tagtäglich in Pflegeheimen oder zu Hause bei den Klient:innen leisten? Wer sind die „neuen Bezugspersonen” für unsere Großeltern und Eltern? Es sind Pflegehilfs- und -assistenzkräfte, Betreuungskräfte und nicht zu vergessen: Reinigungs- und Hauswirtschaftskräfte. Häufig ohne Ausbildung, nur mit einer knappen Einarbeitung oder Einweisung leisten sie eine anspruchsvolle Basis- und Interaktionsarbeit, die viel zu wenig Wertschätzung in den Pflegeeinrichtungen und der Öffentlichkeit erfährt.
Der Abend
Wir waren zunächst sehr dankbar dafür, dass wir für die Abendveranstaltung eine hierarchie- und berufsübergreifende Zusammensetzung der Teilnehmenden ermöglichen konnten: Neben Betreuungskräften und Pflegehilfskräften brachten sich auch Leitungskräfte und Dozierende gewinnbringend ein. Der Abend begann mit einem Input von Rebecca Kludig. Sie skizzierte den oben genannten Handlungsrahmen für Hilfskräfte in der Pflege und akzentuierte die besonderen Herausforderungen „interkulturelle Kommunikation“ und „verständliche Sprache“ im Pflegealltag.
Daran anknüpfend lud Martin Schmidt vom Projekt RessourcE die Anwesenden zu einem spannenden Perspektivwechsel ein: Die Übung „Redundancia“ macht spezifische Belastungen und Verunsicherungen erleb- und nachvollziehbar, mit denen vor allem Menschen zu tun haben, die Deutsch nicht als Erstsprache haben, sondern erst noch lernen und verstehen müssen, also Zugewanderte und Geflüchtete. Die Reflexion der Übung zeigte deutlich, wie wichtig es vor allem für Führungskräfte ist, über die Hintergründe von Missverständnissen in der Alltagskommunikation Bescheid zu wissen und sprachbewusst und sprachsensibel zu agieren.
Daran schloss eine kurze „das muss ich erstmal Sacken lassen“-Pause an. Sie wurde zum Durchatmen, fürs Netzwerken und eine kleine Stärkung genutzt. Der zweite Teil des Abends zielte darauf ab, die unterschiedlichen Erfahrungen der Anwesenden: der Leitungskraft wie der Betreuungskraft, der Lehrkraft wie der Pflegehilfskraft zu diskutieren und Perspektiven für eine Verbesserung der Arbeitssituation von Hilfskräften in der Pflege zu entwickeln. Es ergab sich eine lebendige Debatte mit reichhaltigem Outcome an Erkenntnissen, Anliegen und Lösungsansätzen: Übereinstimmend wurde vor allem mehr Wertschätzung von Vorgesetzten, aber auch von anderen Berufsgruppen im Team gegenüber Hilfskräften angemahnt. Fehlende Wertschätzung untergrabe im Alltag das Zugehörigkeitsgefühl der Betroffenen, befördere ihr Gefühl, einer ausgeschlossenen Sondergruppe anzugehören. Folgende Lösungsansätze wurden entwickelt:
• Kommunikationsstrukturen etablieren, die Teamspirit und kollaborative Lösungskompetenzen stärken, wie beispielsweise Kollegiale Beratung und Fallbesprechungen
• Klarheit über die Definition und Abgrenzung der Verantwortlichkeiten unterschiedlicher Berufsgruppen
• Führungsverhalten auf den Prüfstand: Führungskräfte fortbilden, um deren Führungskompetenzen zu entwickeln
• (flache) Hierarchien ausbilden und leben, die auf Wertschätzung und Beteiligung aller Berufsgruppen basieren
• Empowerment-Angebote für Hilfs- und Betreuungskräfte
Kritisch bleibt anzumerken, dass die Stimmen der eigentlichen Zielgruppe der Veranstaltung, nämlich der Hilfskräfte, in der Diskussion doch zu wenig Gewicht hatten. Es ist offensichtlich: Belastende Erfahrungen, wie die der Diskriminierung oder psychischen Krisen, in einer größeren Gruppe zu teilen, ist nicht leicht und benötigt einen besonderen Rahmen, der hier fehlte.
In der Austauschrunde fiel ein einprägender Appell an die Betreuungs- und Hilfskräfte: „Macht Euch groß!“. Ein sehr wichtiger und ermutigender Ansatz. Doch damit sie und wir uns groß machen können, braucht es, wie wir beispielhaft in der Diskussion sahen, auch den Rahmen dafür. In der Praxis bedeutet das also, eine Führungs- und Unternehmenskultur, die genau solche Räume schafft. Und in der Weiterbildung bedeutet das, eine Lernkultur zu gestalten, die ebenfalls solche Räume schafft.
Die Abendveranstaltung erscheint wie eine Metapher für den Weiterentwicklungsbedarf von Unternehmens- und Weiterbildungskultur, die das “Großmachen” als wünschenswert erachtet und auch befördert. Nur so können wir tatsächlich „Perspektiven bieten!“ Die Veranstaltungsreihe „Weiterbildung im Wandel“ wird fortgesetzt. Wir lernen von und mit den Teilnehmenden, lernen aus Fehlern, möchten uns und unsere Bildungsangebote stetig weiterentwickeln. Wir freuen uns, wenn Sie das nächste Mal wieder dabei sind.